Ruhestand? Daran denkt Margot Flügel-Anhalt nun wirklich nicht. Im Gegenteil: Mit 64 Jahren erfüllt sich die äußerst fitte Rentnerin einen lang gehegten Traum, steigt das erste Mal in ihrem Leben auf ein Motorrad und düst los. Einen Motorradführerschein besitzt sie nicht, doch ihr „alter grauer Lappen“ erlaubt noch das Fahren mit Zweirädern bis 125 Kubikzentimetern. Das muss nun reichen.
Los geht’s in ihrem Dorf in Nordhessen und danach 117 Tage und 18.046 Kilometer lang durch Osteuropa und Zentralasien. Die Bikerin überquert nicht nur die Grenzen von 18 Ländern, sondern auch die zwischen Menschen fremder Sprache und Kultur – und vor allem ihre eigenen: Allein als ältere Frau unterwegs auf einer kleinen Reiseenduro, vorbei an atemberaubend schönen wie rauen Landschaften, über die Wolga und das Pamir-Gebirge, durch u.a. Polen, Ukraine, Tadschikistan, durch den Iran und die Türkei.
Ich bin aufgebrochen, um Dinge zu sehen und Menschen und Gegenden zu erleben, die mich so fassungslos machen.
Margot Flügel-Anhalt
10 Fragen an die Abenteurerin
1. Wie bist du auf die Idee gekommen, ohne Erfahrungen, allein mit dem Motorrad zu so einer großen Reise aufzubrechen?
Ach, das war ganz leicht. Nach einer früheren Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn war das erklärte Ziel, noch einmal gen Osten zu reisen – also eine sehr lange, sehr weite Strecke. Das zuerst dafür geplante Muli wollte ich aber nicht über stark befahrene Straßen zerren. Philip, mein Sohn, drängte mich dazu, Motorradfahren zu lernen, damit er auf mich als Begleiterin zurückgreifen kann – große Ehre! Und für die kleine 125er Reiseenduro habe ich mich kurzerhand entschieden, weil die Zeit, einen richtigen Motorradführerschein zu machen, vor meiner Abreise nicht gereicht hat. Und mit meinem „alten Lappen“ konnte ich auch ein kleines Motorrad fahren.
2. Wieso hast du diese spezielle Reiseroute gewählt?
Bei meinen Recherchen zur Tour gen Osten fiel mir der Pamir Highway ins Auge. Ich war von den Reisebeschreibungen schließlich so begeistert, dass ich die wundervolle Bergwelt Zentralasiens mit eigenen Augen sehen wollte.
3. Was waren die größten Herausforderungen für dich auf dieser Reise?
Die schwierigen Pistenverhältnisse auf dem Pamir Highway waren schon etwas brenzlig. Dann bei Regen, Schlamm und Schneematsch, mit Schneetreiben in der dünnen Luft auf mehr als 4.000 Meter Höhe über den Kyzyl- Art-Pass von Kirgistan nach Tadschikistan – das waren die größten Herausforderungen für mich und meine gebeutelte kleine Honda.
Die letzten angespannten Tage vor einer langen Reise sind eine echte Herausforderung für die Nerven. Aber noch heftiger wird es, wenn unterwegs plötzlich unerwartet der erste Gedanke an eine mögliche Rückkehr aufkeimt. Es gibt für mich nichts Schwierigeres, als aus der Freiheit der Ferne wieder ins normale Alltagsleben zurückkehren zu müssen.
4. Welche besonderen Eindrücke werden dir ewig im Gedächtnis bleiben?
Der polnische Polizist – ein vorbeikommender Biker, der mir im Wakhan-Korridor nahe der afghanischen Grenze nach einem Sturz Erste Hilfe geleistet hat – wird mir mit seiner ruhigen Kompetenz wohl für immer im Gedächtnis bleiben.
Und auch die vielen anderen Menschen, die mir Wasser, Unterkunft, Essen, technische Hilfe und Einblick in ihre besonderen Leben geschenkt haben. Ich bin ihnen für immer dankbar.
Jeden Augenblick prägen die unfassbaren Wunder der zentralasiatischen Bergwelt mein Bewusstsein: Imposante, erhabene Gebirgszüge auf der einen und auf der anderen Seite Wüsten, die ich durchquert habe: ein wildes, unwegsames, undurchdringliches Nichts. Das alles zu erleben – dafür bin ich aufgebrochen.
5. Gab es auch Momente, die kritisch waren, in denen du es bereut hast losgefahren zu sein oder vielleicht ans Aufgeben gedacht hast? Und warum bist du trotzdem weitergefahren?
Nach einem schmerzhaften Sturz, bei dem mir eine Eisenkante des Motorrads den Fußknöchel beinahe gespalten hat, war es unglaublich schwer, wieder auf das Motorrad zu steigen. Nur mit Hilfe des Mitgefühls und der mentalen Unterstützung meiner Biker-Mentoren konnte ich die Angst vor einem erneuten Sturz überwinden und wieder aufsteigen. Nach solchen Erfahrungen fühle ich mich auch für andere Herausforderungen besser gewappnet.
Der furchtbare Terroranschlag, bei dem im Süden Tadschikistans vier Menschen ihr Leben verloren und drei andere teilweise schwer verletzt worden sind, hat tiefe Ängste in uns Fernreisenden ausgelöst. Geholfen hat dann die Gemeinschaft, in der man über die Tat sprechen konnte, sich ausgetauscht und beraten hat. Die Welt aber gehört nicht den Kriegstreibern!
Ich wollte erfahren, wie die Menschen dort im Osten leben und überleben. Daher war weiterfahren oder nicht weiterfahren nie die Frage. Ich hatte mich entschieden, aufzubrechen. Davon kann mich nicht viel abhalten.
6. Du bist auch durch Länder wie z.B. Tadschikistan oder den Iran gereist, in denen schwierige politische und soziale Verhältnisse herrschen und Menschenrechte missachtet werden. Hast du davon etwas mitbekommen?
Die schwierigen sozialen Verhältnisse z.B. in Tadschikistan und insbesondere in der autonomen Region Gorno-Badachschan sind deutlich erkennbar: kein fließendes Wasser, nur stundenweise Strom über Generatoren, keine ärztliche Infrastruktur für Notfälle. Und Arbeitsplätze, Schulen, Krankenhäuser gibt es nur in den größeren Orten. Die Aga-Khan-Stiftung versucht zu helfen.
Die politische Unterdrückung im Iran ist überall fühlbar und ständiger Begleiter. Wer sich nicht den schiitischen Regierungsparteien zuordnet, oder beispielsweise vom Islam zum Christentum konvertiert, ist so gut wie tot. Dieser Druck ist im Alltag nicht zu übersehen.
7. Du hast während deiner Reise selbst gefilmt und bist aber auch von einem Filmteam begleitet worden. Wie waren die Dreharbeiten für dich?
Die Dreharbeiten waren schnell nebensächlich. Die Herausforderungen der Piste nahmen alle Konzentration in Anspruch. Die beiden Jungs vom Filmteam sind gute Freunde, das Arbeiten mit ihnen ist mir geläufig vom Theaterspielen. Wenn ich mich vom Fahren ablenken ließ, weil gefilmt wurde, konnte das schnell ins Auge gehen.
8. Den fertigen Film hast du dann selbst zum ersten Mal auf der Kinoleinwand gesehen, zusammen mit vielen anderen Zuschauern. Was war das für ein Erlebnis?
Das ähnelte der Zeit vor dem Aufbruch zur Reise: Die Gedanken vor der Filmpremiere waren schwierig, der Abend der Premiere war wundervoll. Da ich wusste, dass es einige sehr persönliche Szenen im Dokumentarfilm gibt, war es mir peinlich, mir vorzustellen, dass jeder nun mein Gesicht so groß und in Nahaufnahme zu sehen bekommen würde. Das Publikum reagierte aber auf den Film so überaus positiv, dass alle unangenehmen Erwartungen weggefegt wurden.
9. Du warst lange mit dem Motorrad unterwegs. Was würdest du dir selbst raten, wenn du jetzt mit dem Motorradfahren beginnen würdest? Drei Tipps aus deiner persönlichen Erfahrung?
Ruhig bleiben, ruhig bleiben, ruhig bleiben.
10. Warum sollte Frau Motorradfahren?
Motorradfahrende Frauen sind schön! Mehr Frauen sollten es einfach machen!
Über Grenzen – Der Film
Es ist eine Mammutreise, die Margot Flügel-Anhalt mit 64 Jahren in “Über Grenzen” durch Osteuropa und Zentralasien antritt – allein auf einem kleinen Motorrad. Die Filmemacher Johannes Meier und Paul Hartmann haben eine abenteuerlustige Rentnerin begleitet, die während ihrer Tour außer geografischen auch kulturelle und immer wieder physische Grenzen überwindet. ÜBER GRENZEN zeigt eindrucksvoll, dass es nur ein wenig Mut braucht, um auch im fortgeschrittenen Alter neue Wege zu erkunden.
Wo ihr den Film sehen könnt erfahrt ihr auf www.über-grenzen.de oder auf Facebook.
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Hallo Rudi Rüpel,
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Nelli
Diese Frau hat mich inspiriert.
Meine Bewunderung fuer ihr Reise kennt keine Grenzen. Ganz grosses Kino.
Der Film hat mich sehr berührt. Ich werde heuer 40. Ich schenke mir ein Motorrad.
Hallo Claudia Meine Geschichte,ich werde demnächst 64, habe letztes Jahr den A-Schein gemacht.Und habe heuer vor, mit einem Freund Spanien,Frankreich und Portugal zu bereisen.
Mich hat noch nie ein Mensch so sehr berührt wie Margot
Sie sprach mir aus der Seele.
Der Film lässt mich nicht mehr los.
Liebe Margit, habe gestern mir die Doku angesehen. Du hast meinen Respekt. Hier geht es nicht nur um Motorrad fahren, sondern um viel mehr. Es sind persönliche Erfahrungen, Respekt vor der Natur und andere Lebensformen. Es verändert viele Sichtweisen. Danke für diese Einblicke. Ich werde in ein paar Wochen 60 Jahre und hatte eigentlich Motorrad fahren an den Nagel gehängt. Aber der Bericht hat mir Mut gemacht. Man muss nicht alles perfekt können, wichtig ist hier die Lust und Freude. Dies kommt bei Dir wirklich rüber. Du bist eine tolle Frau, würde mich freuen von einer nächsten Tour was zu hören. Bleib gesund alles liebe Petra
Hallo Margot
Ich habe nächstes Jahr vor mit dem Motorrad die Alte Seidenstrasse zu fahren. ( Venedig – Peking).
Wie sah das bei dir aus mit Visas etc.? Hattest du diese im Voraus beantragt oder ” on the way”