Farma Sotira, Albanien. Weil die zweitkürzeste Tagesdistanz des Events anstand, könnte man meinen, der vierte Tag der BMW Motorrad International GS Trophy 2022 wäre ein Ruhetag. Doch das war er keineswegs. Setzte doch der Tageskurs, eine Schleife durch das Pindus-Gebirge, solide Trail-Fähigkeiten voraus, denn die Fahrer:innen mussten das Auf und Ab der Hänge tatsächlich auf schmalen Ziegenpfaden bewältigen. Und bei zwei der drei heutigen Sonderprüfungen kam es neben technischem Fahrkönnen auch wieder auf ihre Trial-Fähigkeiten an.
Trail and Error
Ob kurzer Tag oder nicht, die GS-Fahrer:innen mussten wieder im Morgengrauen aus den Federn nach einer Nacht, in welcher die Temperaturen stark gesunken waren. Auf ihren Motorrädern wurde ihnen aber schnell wieder warm, da schon der erste Asphaltabschnitt stark beschädigt war und höchste Konzentration erforderte. Kaum hatten sie die Offroad-Trails erreicht, war ihnen sofort klar, dass sie eine ordentliche Challenge vor sich hatten. Diese Trails hoben das Fahren am Berg auf ein ganz neues Niveau. Es ging um einen technischen Trail-Test, bei dem im ersten oder zweiten Gang auf der perfekten Linie und immer mit dem richtigen Grip im steilen Gelände zu fahren war ohne dabei mit den Füßen den Boden zu berühren.
Die verschiedenen Untergründe, teils blanker Fels, teils Lehm und Kalksteinbrocken, teils loses Gestein – und das alles bei einer Steigung, die absoluten Einsatz erforderte – machten die Fahrt zu einem intensiven Erlebnis. Die Anstiege auf der Strecke waren schon furchteinflößend genug, aber sie waren nichts im Vergleich zu den riesigen Granitwänden der Pindus-Bergkette, die die Strecke überragten. Sie erhoben sich Tausende Meter aus dem Talgrund und waren wirklich atemberaubend.
Die Strecke war technisch sehr, sehr anspruchsvoll, aber auch sehr schön. Ich habe alle Anstiege geschafft – und das musste ich auch, denn ich kann den Boden mit meinen Füßen kaum erreichen!
Esther Pinzon, Frauenteam Lateinamerika
Die Fahrt bot auch eine Art Ökologieunterricht. Die Trails führten die Fahrer:innen unter das Blätterdach der in dieser Region weit verbreiteten Laubwälder. Und gerade als sie dachten, sie seien wahrscheinlich hundert Kilometer von jeder menschlichen Zivilisation entfernt, fuhren sie auf eine große Ziegen- und Schafherde zu, die denselben Weg eingeschlagen hatte wie sie selbst. Schafe, Ziegen, Hunde, Pferde, Hirten und natürlich die GS, sie alle teilten sich die Strecke, so dass es zu einer Art morgendlichem Stau kam, wie ihn nur wenige je erleben werden – ziemlich ungewöhnlich, wie Tier und GS um das gleiche Stück Weg kämpften!
Die Abfahrt von den Berggipfeln war nicht weniger aufregend und anspruchsvoll, da die GS-Fahrer:innen alles daran setzten, die Kontrolle über ihre Motorräder zu behalten, während sie über ramponierte Steinpfade aus der Römerzeit schlitterten. Insgesamt wurden ihre Offroadfähigkeiten auf eine harte Probe gestellt und die Vielseitigkeit der BMW R 1250 GS sowie die Zuverlässigkeit der Metzeler Karoo 4-Reifen eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Staffellauf mit der BMW GS
Nach ihrer Rückkehr zur Farma Sotira mussten sich die Fahrer:innen einer dreifachen Sonderprüfung unterziehen. Bei der ersten Prüfung, der Farma Sotira Trail-Staffel, mussten die drei (bzw. bei den Frauenteams zwei) Fahrer:innen jedes Teams einen Abschnitt eines erweiterten Trial-Kurses bewältigen. Zuerst musste ein Fluss in einem Wald überquert werden, wobei es zweimal am Ufer entlang und durch das aufspritzende Wasser ging; dann war eine Reihe enger Kurven bei vollem Lenkeinschlag und mit einem Baumstammhindernis zu meistern; den dritten Teil bildete ein Slalom-Parcours. Am Ende trafen sich die drei wieder, um die letzte GS auf einen Anhänger zu laden und zu sichern, der dann von einem Ineos Grenadier weggebracht wurde.
Danach traten die Teams zur Navigations-Challenge an, bei der sie auf Zeit mit einem BMW GPS-Navigationsgerät einen Wegpunkt im Wald finden, dort von einem weiteren Navigationsgerät neue Koordinaten in das ihrige GPS-Gerät übertragen und dann zum Start zurückkehren mussten. Zu Fuß. Beim Laufen durch den Wald, zwischen niedrig hängenden Ästen und Büschen hindurch, handelten sich die Fahrer:innen wahrscheinlich mehr blaue Flecken ein als bei der bisherigen Fahrt insgesamt.
Das Albanische Slow Race
Letzter Test des Tages war das Albanische Slow Race, inzwischen so etwas wie eine Tradition bei der GS Trophy. Dabei fahren alle Fahrer:innen des Teams einen 100 m langen Parcours so langsam wie möglich, ohne ihre 1 m breite Bahn zu verlassen und ohne einen Fuß auf den Boden zu setzen. Gewinner ist das Team mit der längsten Gesamtzeit.
Die heutigen Trail Challenges kamen den Stärken von Team Südafrika entgegen, das den Löwenanteil der Punkte im Wettbewerb der Männerteams holte und jetzt nur noch durch einen Punkt von dem weiterhin in Führung liegenden Team UK getrennt ist. Auch Team Deutschland holte viele Punkte und verdrängte Team Thailand aus den Top 3. Im Wettbewerb der Frauenteams gab es weniger Veränderung. Team Deutschland bestätigte seine starke Form. Team Mexiko hatte einen guten Tag und eroberte den zweiten Platz von Team Südafrika zurück.
Morgen, am fünften von sieben Tagen, steht den GS-Fahrer:innen auf dem Weg an die Adriaküste eine Strecke von 210 km in Richtung Osten bevor.
Albanien Tag 4, Gesamtwertung:
Frauenteams:
- Deutschland 187
- Mexiko 162
- Südafrika 156
- Frankreich 146
- Lateinamerika 142
- Brasilien 100
Männerteams:
- Vereinigtes Königreich 137 Punkte
- Südafrika 136
- Deutschland 115
- Thailand 110
- China 2020 101
- Südkorea 89
- Niederlande 86
- USA 83
- China 2022 77
- Indien 75
- Brasilien 70
- Lateinamerika 67
- Japan 63
- Mexiko 60
- Frankreich 59
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