Hallo, wie heißt du bitte? Mein Name ist Tine
Und wie alt bist du? 41 Jahre
Was machst du beruflich? Ich habe Pädagogik studiert, war die letzten Jahre als Sozialarbeiterin und Tagesmutter tätig und arbeite jetzt in bei einem großen Träger für Kinderbetreuungseinrichtungen.
Seit wann fährst du Motorrad? Seit 23 Jahren
Wie und warum bist du zum Motorradfahren gekommen?
Bei mir war es wahrscheinlich anders als bei den meisten: Als ich mich 1997 (mit 17) in der Fahrschule angemeldet habe, hat meine Mutter vorgeschlagen, dass ich gleich den Auto- und Motorradführerschein zusammen mache. Sie selbst ist früher als Sozia bei meinem Papa mitgefahren und hat sich immer geärgert, nie selbst einen Motorrad-Schein gemacht zu haben.
Tatsächlich ist sie auch schon einige Male bei mir mitgefahren, u.a. bei einem tollen gemeinsamen Dolomiten-Urlaub.
Und ich bin ihr auf jeden Fall bis heute dankbar, da sich das Motorradfahren zu meinem größten Hobby entwickelt hat.
Welches Motorrad fährst du und warum hast du diese Maschine gewählt?
Ich habe mich von Anfang an den Enduros verschrieben, weil mich das Geländefahren schon immer fasziniert hat, weil ich die Optik mag und natürlich wegen meiner Größe von 1,80m.
Nach einer Yamaha TT600R und einer Honda Dominator NX650 habe ich dann meine erste GS gekauft, der Beginn einer großen Liebe. Nach der R1100GS folgte eine BMW R 1200 GS – das Hochzeitsgeschenk meines Mannes. Natürlich haben wir uns über das Motorradfahren kennengelernt.
Mittlerweile haben wir zwei nahezu identische BMW R 1200 GS Adventure – für mich ist die GS einfach die „eierlegende Wollmilchsau“. Egal ob Geländefahrten, Rennstrecke oder 14 Stunden Pässe Schrubben – die GS macht aufgrund der unschlagbaren Bodenfreiheit alles perfekt mit, bietet genügend Stauraum für lange Urlaube und ist bequem noch dazu.
Was bedeutet dir Motorradfahren heute?
Während meiner ersten Schwangerschaft 2011 stellte ich mir natürlich – wie viele werdende Mütter und Väter – die Frage, wie sich die Situation auf unser Hobby auswirken würde.
Ich beschloss recht schnell, während der Schwangerschaft nicht zu fahren, stieg aber nach der Geburt bald wieder auf. Sicher hat sich mein Fahrverhalten seit der Geburt meines ersten Kindes verändert, aber auch durch andere Faktoren versuche ich größtmögliche Sicherheit herzustellen.
So absolvieren wir beispielsweise immer zu Beginn der Saison ein Fahrsicherheitstraining und legen viel Wert auf hochwertige Schutzkleidung.
Mein Mann und ich fahren seit 2012 viel seltener zu zweit. Wir haben mittlerweile drei Kinder (geboren 2012, 2014 und 2016) und unser Hobby letztes Jahr erheblich erweitert: 2019 haben wir die zweite GS Adventure angeschafft, gleich in Kombination mit einem Kalich Schwenker. Dies ist ein Beiwagen, allerdings nicht als starres Gespann verbaut, sondern so gelagert, dass das Motorrad fast normale Schräglage erreichen kann.
Unsere Tochter fährt nun – seit sie 7 Jahre alt ist – als Sozia mit, anfangs noch in einem speziellen Motorrad-Kindersitz mit kurzer Rückenlehne und eigenen Fußrasten. Die beiden kleinen Brüder sitzen im Beiwagen. Alle drei lieben die gemeinsamen Ausfahrten, jedoch fahren wir nie länger als zwei Stunden am Stück und bauen viele abwechslungsreiche, kindgerechte Pausen ein.
Für uns haben wir die perfekte Lösung gefunden, das geliebte gemeinsame Hobby in unsere Familie zu integrieren. Uns ist aber auch bewusst, dass andere diese Entscheidung nicht nachvollziehen können. Meiner Meinung nach muss jeder Mensch und jede Familie für sich eine Entscheidung treffen, ob das Hobby Motorradfahren mit dem Familienzuwachs beendet, unterbrochen oder weitergelebt wird.
Was bewunderst du an anderen Motorradfahrern/Fahrerinnen?
Ich erlebe bei unseren Touren natürlich viele andere Fahrerinnen und mir fällt es besonders auf, wenn jemand rücksichtsvoll, defensiv und vorausschauend fährt – und das bedeutet für mich nicht langsam und langweilig. Es gibt unter den Bikerinnen auch viele Armleuchter, die sich und andere Verkehrsteilnehmerinnen durch ihr Verhalten in Gefahr bringen. Das schlägt sich auf den Ruf aller Bikerinnen nieder und dafür habe ich kein Verständnis.
Ansonsten bewundere ich jede Person, die gut mit verschiedensten Untergründen zurechtkommt. Im Offroad-Fahren bin ich zwar mittlerweile geübt, habe aber immer noch großen Respekt vor Sand, Geröll und Treppen. Aber ich bleibe dran!
Was war deine größte Herausforderung bisher?
In unseren ersten gemeinsamen Jahren haben mein Mann und ich viele Urlaube mit den Bikes gemacht. Dabei sind wir auch zweimal die Ligurische Grenzkammstraße gefahren. Die Steigerung dazu – und bisher meine größte Herausforderung – war das Befahren des Col de Sommeiller (höchster Punkt auf 3.008 m). Dafür wurden wir mit einem atemberaubenden Ausblick belohnt. Vor Erschöpfung und Erleichterung haben wir allerdings auch ein paar Tränchen vergossen.
Wie hast du Sie gemeistert und wie hat das ggf. dein weiteres (Biker)Leben beeinflusst?
Beim Motorradfahren war für mich immer das Fahren in einer kleinen Gruppe das Ideal. So auch im Gelände. Denn wenn Du eine voll beladene GS in den Dreck wirfst, ist jede weitere Hand hilfreich. Ansonsten sind auf jeder Tour ausreichend Pausen wichtig – nicht nur um die Aussicht zu genießen, sondern vor allem zur Regeneration, da das Offroadfahren im Stehen einfach super anstrengend ist.
Und nicht zuletzt waren mein Mann und ein gemeinsamer Freund dafür verantwortlich, dass ich überhaupt da oben ankam, weil wir uns immer wieder gegenseitig motiviert und angespornt haben…
Ich habe daraus gelernt, dass ich meist mehr kann, als ich mir zutraue, zumindest beim Motorradfahren weicht meine Selbsteinschätzung oft von der Realität ab.
Gab es schon Mal eine brenzlige Situation?
Was war es und wie hast du reagiert?
Meine brenzligste Situation war auf den ersten Blick kein bisschen brenzlig. Und das ist wahrscheinlich das, was eine Situation wirklich brenzlig macht, weil man die Gefahr nicht erkennt.
Eine falsche Reaktion hat mich in diesem Fall zum Sturz gebracht. Und zu der Erkenntnis, dass Stollenreifen und eine von Regen und Blütenstaub schmierige Straße eine denkbar schlechte Kombination sind.
In einer langgezogenen Kurve habe ich bei etwa 90 km/h irgendeine kleine Bewegung am Gasgriff gemacht, jedenfalls bin ich weggerutscht und aus der Kurve geflogen. Mein Motorrad ist auf jeder Seite einmal aufgeschlagen und war leider danach ein Totalschaden. Mein 60 Meter Flug endete an einer Mauer (zum Glück nicht im Gegenverkehr), doch entgegen meines ersten subjektiven Eindrucks (autsch!) kam ich damals nur mit unzähligen blauen Flecken davon.
Ich denke, dass sehr viele Unfälle eigene Fahrfehler sind. Zum Beispiel auch, wenn man zu dicht auffährt, unsinnig überholt, eine Kurve zu schnell nimmt und dann bremst, oder sich anderweitig selbst überschätzt.
Ansonsten gibt es eigentlich immer wieder brenzlige, herausfordernde Situationen, oft durch andere Verkehrsteilnehmer*innen verursacht. Neben hochkonzentrierter Fahrweise helfen auch hier regelmäßige Trainings und – wer hätte es gedacht – häufiges Fahren!
Was war dein schönstes Erlebnis?
In diesem Punkt kann ich mich gar nicht entscheiden. Wir haben so viele wunderbare Touren und Urlaube gemacht.
Vielleicht sind es auch manchmal die kleinen Erlebnisse, die besonders eindrucksvoll sind: Die ersten Meter nach der Winterpause, ein heißer Kaffee vom Campingkocher am höchsten Punkt des Passes oder das Strahlen im Gesicht meiner Kinder, wenn wir mit dem Beiwagen unterwegs sind.
Wo oder welche Strecke würdest du gern einmal fahren?
Ein großes Ziel auf meiner Bucket List ist eine Skandinavien-Tour. Dort war ich einfach noch nie, kenne aber einige, die Schweden und Co. mit dem Motorrad „erfahren“ haben. Die Bilder und Filme dazu habe ich oft im Kopf.
Und in ganz weiter Zukunft ist für mich noch Island ein Ziel. Das unterscheidet sich sicher von allen Strecken, die ich bisher kenne und ich freue mich schon sehr darauf!
Was würdest du dir selbst raten, wenn du jetzt mit dem Motorradfahren beginnen würdest?
- Was mir am Anfang unglaublich geholfen hat, war, jemandem nachzufahren, der Erfahrung hat und einen guten Stil fährt. Das meiste habe ich sicher auf den unzähligen Kilometern gelernt, als ich meinem Mann nachgefahren bin. Er ist beruflich und privat Motorradfahrer voller Leidenschaft. Ich habe versucht jede Kurve so zu nehmen wie er, an den gleichen Stellen zu bremsen und zu beschleunigen. Das war super hilfreich.
- Mein zweiter Tipp bezieht sich auf die Schutzkleidung. Mein Sturz damals fiel nur deshalb so glimpflich aus, weil ich gute Textilkleidung und einen Rückenprotektor getragen habe. Auch gute Handschuhe und verstärkte Stiefel sind wichtig. (Im Internet gibt’s tolle Fotos davon, wie ein Knöchel aussieht, wenn man mit Turnschuhen stürzt und über die Straße rutscht).
- Und der dritte Tipp: Besucht jedes Jahr zu Saisonbeginn ein Sicherheitstraining. Egal wie erfahren und versiert ihr seid, man lernt immer noch dazu, frischt bekanntes auf und wird nach dem Winter wieder ‚warm‘. Es gibt die verschiedensten Anbieter, wie Verkehrswacht, ADAC oder spezielle Motorsportclubs, da kann man eigentlich nichts falsch machen. Und wen das Gelände reizt, dem empfehle ich von Herzen einen Tag im BMW Enduropark Hechlingen. Freude am Fahren pur!
Warum sollte Frau Motorradfahren?
Aus dem gleich Grund wie ‚Mann‘. Es macht unglaublich viel Spaß!
Wenn ich auf dem Bock sitze, kann ich abschalten, den Alltag hinter mir lassen und fühle mich trotz stundenlangen Fahrens danach immer frisch und erholt. Das schafft für mich kein anderes Hobby.
Ist da noch etwas, was du unseren Leserinnen gern mitteilen möchtest?
Entscheide bei der Wahl deines Bikes nie nach optischen oder anderen äußeren Gründen, sondern nach dem Bauchgefühl und vor allem nach den geplanten Einsatzgebieten. Die meisten Händler bieten Probefahrten an oder man leiht sich mal für einen halben Tag das favorisierte Bike. Je mehr Vergleichsfahrten, desto sicherer kannst du die Entscheidung für „Dein“ Motorrad treffen.
Außerdem würde ich anfangs lieber ein gebrauchtes Bike nehmen (mit möglichst vielen Sicherheitsfeatures wie ABS), aber eher kein neues, denn die ersten Kratzer oder Umfaller tun unglaublich in der Seele weh.
Und zu guter Letzt:
Lass dich niemals in eine Schublade stecken. Du kannst machen und sein, was du möchtest. Lass dich nicht durch andere limitieren!
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