Wir alle kennen das Sprichwort “selbst ist der Mann!” und wissen sofort, was es damit auf
sich hat. Nämlich die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, etwas allein und selbst zu tun
und möglicherweise auf Hilfe zu verzichten. Umgemünzt auf “selbst ist die Frau!” vermuten
wir dahinter nichts anderes. Emanzipiert haben wir gelernt, durch den Alltag zu gehen: wir
stecken in verantwortungsvollen Vollzeitjobs, die Hausarbeit wird selbstverständlich
aufgeteilt, wir nehmen uns Zeit nur für uns – und wir fahren Motorrad. Auf Männer
angewiesen sein? Pah!
Aber schon wenn es darum geht, das Motorrad in eine kleine Lücke in der Garage zu
bugsieren, aus einer schräg abfallenden Parklücke rückwärts herauszuschieben oder in
einer engen Gasse zu wenden (am besten noch am Hang!), dann ist es vorbei mit der
Emanzipation und wir sehen uns mit unserer eigenen Hilflosigkeit konfrontiert.
Kannst du das übernehmen?
Schnell ist dann der Wunsch da: “Schatz, kannst du das Motorrad drehen?” Und genauso
schnell grämen wir uns insgeheim: wir haben versagt, etwas wieder nicht geschafft, sind
unselbständig und abhängig. Jemand muss uns helfen. Na toll!
Dabei ist die Selbstgeißelung, mit der wir uns dann strafen, das eigentlich Schlimme.
Dahinter stecken unsere tiefliegenden, verinnerlichten Überzeugungen und Glaubenssätze
wie “ich sollte das allein schaffen! Andere kriegen das auch hin!” Sie sind unser eigentlicher
Feind und halten die schon bestehenden Blockaden in unserem System weiter am Leben.
Was steckt dahinter?
Manchmal haben wir einfach in genau diesen Situationen schon schlechte Erfahrungen
gemacht. Es werfe den ersten Stein, wer nicht schon einmal mit seinem Motorrad einen –
wie er sich sagt – echt dummen Fehler gemacht hat. Im Stand umgekippt, Kipppunkt
überschritten, gefährliche Wackler, die eine helfende Hand gerade noch gerettet und
Schlimmeres verhindert hat. Wir nehmen daraus als Lernerfahrung gern mit: Das ging schief!
Diese Situation überfordert mich – Ich sollte sie zukünftig meiden.
Und die Vermeidungsstrategie setzt sich fortan fort, die Unsicherheit nimmt immer weiter zu – Wir bauen eine echte Blockade auf, wo vorher gar keine gewesen ist.
Wie kommen wir da raus?
Es gibt nur eine wirksame Lösung: Indem wir hineingehen. Das verlorene Zutrauen in die
eigenen Fähigkeiten will wiederentdeckt werden. Es war nie weg und nur vermeintlich
verloren; tief vergraben unter Selbstzweifeln wartet es darauf, hervorgeholt zu werden und
strahlen zu dürfen. Indem wir uns zunächst kleine Dinge zutrauen, (viele am liebsten, wenn
keiner hinsieht), wie zum Beispiel das Motorrad ein wenig zu schieben, es zwischen den
Händen minimal hin und her zu wiegen und ein gutes Gefühl für das Kippen zu entwickeln
(das tatsächlich oft meilenweit entfernt ist!), entwickeln wir Stück für Stück auch ein
gesundes Zutrauen in unsere eigene Stärke. Denn eins ist klar: mit dicken Muckis hat das
nichts zu tun! Die Muckis sitzen im Kopf, und da trainieren wir sie.
Sich selbstwirksam erleben
Für jede kleine Hürde, die wir genommen haben, jede noch so kleine Herausforderung, die
wir selbst gemeistert haben, haben wir ein dickes Lob verdient. Und da vergessen wir mal
den alten Satz “Eigenlob stinkt” und klopfen uns stattdessen kräftig auf die Schulter! Gut
haste das gemacht! Weiter so! Nächstes Mal wieder. Wir erleben uns in diesem Moment als
selbstwirksam, als kompetenten, handelnden und lernenden Menschen. Das ist wichtig und
baut jede noch so feste Blockade nach und nach ab.
Und was wir immer wieder üben und trainieren, wird schon bald zur Selbstverständlichkeit.
Die einst unüberwindbare Hürde wird zu einer Situation, die wir überschauen und
beherrschen. Wir machen neue Lernerfahrungen und erweitern stetig unseren Radius.
Andere werden die Veränderung rasch bemerken, vielleicht noch vor uns selbst.
Hinaus in die Welt!
Wir dürfen eine große Portion Emanzipation, die wir im Alltag ganz selbstverständlich leben,
auf das Motorradfahren portieren. Die starke Frau aus Job und Familie darf auch die starke
Motorradfahrerin sein, die ihr Mopped mal schiebt, hantiert und daran werkelt, wenn sie Lust
dazu hat. Das Zutrauen ist längst da – es darf hervorgeholt werden!
Bis in 2 Wochen zu meiner nächsten Motorradkolumne.
Eure Claudia
In der zweiwöchentlichen Motorrad-Kolumne “Perspektivwechsel” von Motorradcoachin Claudia dreht sich alles um unser geliebtes Zweirad und die Menschen, die es fahren. Mit ihren Geschichten über Gedanken, Gefühle und alles, was sich beim Fahren “zwischen den Ohren” abspielt, gibt sie neue Impulse für einen Perspektivwechsel.
Mehr zu Claudia, ihrer Arbeit als Motorradcoachin sowie direkte Kontaktmöglichkeiten findet ihr hier oder bei Insta und Facebook.
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