Hallo, wie heißt du bitte? Dagi
Wie alt bist du? 36
Was ist dein Job? Leiterin der Werbeabteilung in einem kleinen internationalen Unternehmen
Seit wann fährst du Motorrad? Seit dem 13.07.2018 selber, vorher mehr als 10 Jahre als Sozia
Wie und warum bist du zum Motorradfahren gekommen?
10 Jahre als Sozia bei meinem Mann, ein schwerer Unfall, ein grässlich unbequemer Sozius-Sitz der Kawasaki Z800e und eine nicht so schöne Krankheitsdiagnose haben mich zu dem Entschluss geführt, selbst den Führerschein zu machen, solange ich noch kann. Ich war sehr gerne Sozia und habe mich immer gut und sicher bei meinem Freund auf dem Motorrad gefühlt. Doch der Wunsch selbstständig zu fahren und dieses Gefühl selber zu genießen, wuchs über die Jahre schon an.
Als ich 2012, mit noch nicht mal 30, die Diagnose „seronegative rheumatoide Polyarthritis“ bekam und mein gesundheitlicher Zustand und mein Immunsystem praktisch auf dem Nullpunkt ihres Daseins waren, starb der Traum vom Motorradfahren innerlich für mich. Ich dachte damals, mit den Schmerzen, den bewegungstechnischen Einschränkungen und dem Fortschreiten so einer chronischen Krankheit, sei das für mich nicht mehr möglich. Ich arrangierte mich damit „immer nur Sozia“ zu sein, das ewige Anhängsel. 2015 hatten wir gemeinsam auf der alten Fazer meines Freundes einen ziemlich heftigen Crash auf der Landstraße. Ein klassischer „ich hab euch zwar gesehen, bin aber trotzdem links rausgefahren“. Ich bekam eine kostenlose Flugstunde und wir landeten beide mit wundersam geringen Verletzungen im Krankenhaus. In dieser Nacht, habe ich für mich den festen Entschluss gefasst: Du wirst selbst fahren, solange du noch kannst!
Meine Krankheit habe ich mittlerweile gut im Griff, natürlich mit Medikamenten, aber auch mit einem einigermaßen gesunden Lebensstil und Veränderungen, die ich vorgenommen habe. Beruflich, privat und in meinem Umfeld – alle hatten zum Ziel, mich zu stärken und es mir zu ermöglichen diesen Traum zu verfolgen. Geld und Mut zusammengekratzt und 2018 war es endlich soweit!
Welches Motorrad fährst du? Warum hast du diese Maschine gewählt?
Ganz schwieriges Thema im Moment für mich 🙂
Ich fahre zur Zeit eine Ducati Monster 796. Sie war, ist und bleibt mein Traummotorrad! Die Sitzhöhe ist perfekt, das geringe Gewicht ist ideal für kleine und schlanke Frauen. Und das Design der italienischen Diven steht für mich ganz ganz weit oben. Deshalb habe ich sie gewählt. Weil sie zu mir passt.
Das große ABER: Ich komme nicht damit zurecht. Der V2, die lange Übersetzung, die aggressive Grundeinstellung, das ständige Bocken wie bei einem jungen Gaul. Sie zwingt mich in die Knie, weil ich sie nicht bändigen kann. Ich konnte Sie vor dem Kauf nicht Probe fahren und war überzeugt, das zu schaffen. Alle haben mit Engelszungen auf mich eingeredet, es bitte zu lassen. Ich wollte nicht hören. „Greta“ hatte damals mein Herz im Sturm erobert und jetzt bricht sie es mir. Ich werde sie gehen lassen müssen und werde auf eine laufruhige und „brave“ 4-Zylinder-Maschine umsteigen. Diesen Fehler einzugestehen war nicht leicht, aber ich bekomme wahnsinnig viel Unterstützung von allen Seiten und das tut mir jetzt gut. Es werden noch einige Tränchen fließen, aber so ist es besser für mich. Das habe ich mittlerweile begriffen.
Was bedeutet dir Motorradfahren heute?
Motorradfahren ist für mich ein Teil Selbstbestimmung und Selbstbezwingung. Gegen alle Widrigkeiten, gegen alle Widerstände habe ich mich durchgesetzt. Ich weiß, ich muss niemandem etwas beweisen und so. Aber geht es im Endeffekt nicht darum, sich selbst etwas zu beweisen? Mir schon! Und ich bin stolz drauf, es auch anderen gezeigt zu haben. Mir zeigt das Motorradfahren meine Grenzen, die ich irgendwann immer weiter setzen kann. Es hat mir eine große Schippe mehr Selbstbewusstsein gegeben und lässt mich vor allem mental abschalten! Es ist nicht diese „vielgepriesene Freiheit auf der Straße“, die jeder nennt. Für mich ist es vor allem der Effekt, dass alles Andere aus dem Denken verbannt wird, sobald der Motor startet. Dann gibt es keine Krankheit, dann gibt es keinen beruflichen Stress und keine Sorgen in dem Sinne mehr. Und es ist ein Hobby, das ich mit meinem Freund auf gleicher Ebene teilen kann. Es macht mich stolz, wie stolz er auf mich ist.
Was bewunderst du an anderen MotorradfahrerInnen?
Ich bewundere tatsächlich auch diese Fahrer / Menschen, die alles liegen lassen und sich mit dem Bike auf größere Reisen begeben. Diesen Zeitpunkt habe ich für mich verpasst, das werde ich nicht mehr tun. Aber es ist OK so wie es ist. Die Phase, in der ich so eine getriebene Seele war, ist für mich vorbei. Aber der Mut und die Entdeckungslust, solche Reisen zu starten, ist bewundernswert und ich verfolge so etwas sehr gerne!
Was war deine größte Herausforderung bisher? Wie hast du sie gemeistert und wie hat das dein weiteres Bikerleben beeinflusst?
Die größte Herausforderung war sicher drei Wochen nach dem bestandenen Schein, mit ca 300 km auf meiner Monster, in den Urlaub nach Südtirol zu starten. Das war, um es mal so zu sagen, mehr als optimistisch. Ich war stolz wie Bolle. Wir sind zwar nicht alle Pässe und Bergstraßen rauf und runter gefahren, das hätte ich zu dem Zeitpunkt sowieso nicht geschafft. Für mich war das aber ein Riesen-Schritt und vor allem eine Genugtuung! Dafür habe ich “das” gemacht. Beeinflusst hat es mich in dem Sinne, dass ich sagen kann, dass es das schönste Hobby ist, das ich habe und ich es solange ich kann betreiben will! Und auf jeden Fall möchte ich noch mal in die Alpen fahren. Nicht allein wegen der Straßen, sondern, weil ich dann auch etwas um mich herum wahrnehmen will.
Die weitere Herausforderung besteht für mich auch darin mich selbst zu bremsen. Es gibt Phasen, wenn ich z.B. einen Rheuma-Schub habe, da KANN ich nicht fahren. Und SOLLTE das auch nicht tun. Das ist dann zwar schwer auszuhalten, wenn das Wetter schön ist und alle Fahrer aus den Löchern kriechen, aber es ist nicht gut. Körperliche Fitness ist schon eine Voraussetzung und ich finde es unverantwortlich zu fahren, wenn ich eventuell unter Medikamenten stehe oder Schmerzen habe und genau weiß, dass ich nicht stark bremsen kann oder verkrampfe.
Gab es schon einmal eine brenzlige Situation? Was war es und wie hast du reagiert?
Ja, die gab es. Zwei an der Zahl und innerhalb von drei Minuten und 500 Metern. Auslöser war ein Großbrand am Rand der Strecke, die ich gefahren bin. Ein Autofahrer vor mir meinte, von 100 auf 0 abbremsen zu müssen. Auf einer Brücke, um von dort aus zu fotografieren. Unfassbar dumm! Das habe ich ihm auch mitgeteilt, ziemlich lautstark. Zum Glück habe ich ABS und zum Glück keine Angst voll in die Bremse zu greifen und zu treten! Nach dem ich mich abgeregt hatte und weiterfahren konnte, kam mir in einer unübersichtlichen Kurve ein Rettungswagen auf meiner Spur entgegen. Ohne Signalhorn im Überholvorgang. Ein zweites Mal das ABS mächtig arbeiten lassen. Die Fahrerin guckte mir noch direkt in die Augen. Ich hatte mit Einsatzfahrzeugen gerechnet und war schon ziemlich gemächlich und weit rechts unterwegs, aber geschockt war ich trotzdem. Das Ganze war ca. drei km von zu Hause entfernt. Viel weiter hätte ich es auch nicht mehr geschafft. Ich war völlig aufgelöst, Maschine abgestellt und Schluss für den Tag.
Mir hat das Ganze nur wieder bewusst gemacht, wie wichtig es ist, wirklich vorausschauend zu fahren. Im Sinne von Situationen einschätzen und auch mögliche Zwischenfälle einzuplanen. Auf seine Umgebung zu achten und eventuell Kurzschlussreaktionen anderer mit zu berechnen.
Was war dein schönstes Erlebnis?
Das war tatsächlich der Moment, in dem ich diese Plastikkarte in die Hand gedrückt bekam. Freitag der 13.07.2018. Gefolgt von dem Augenblick, am gleichen Tag, an dem ich mit zitternden Knien auf der Schwarzwaldhochstraße stand, neben meiner „Greta“ und hinter mich geschaut hab und gedacht hab: „Das war dein Weg und den hast du gut gemacht!“
Wo oder welche Strecke würdest du gerne einmal fahren? Warum reizt dich das?
Es gibt tausend Orte auf dieser Welt, die ich gerne auf zwei Rädern erkunden würde. Die Transfagarasan (Transfogarascher Hochstraße) in den rumänischen Karpaten ist ein Ziel, das ich erreichen möchte. Ich bin in Rumänien geboren und besuche dieses traumhaft schöne Land auch ab und zu wieder. So, wie jetzt gerade. Das Land der tausend Schlaglöcher, die Straßen sind schon auf vier Rädern eine Herausforderung. Die Vergangenheit und meine Wurzeln erkunden mit der Gegenwart und der Zukunft im Gepäck, ist etwas, das ich mir gut vorstellen kann.
Und Irland würde ich sehr gerne mal mit dem Motorrad bereisen. Ich liebe dieses Land und die Leute. Allerdings jagt mir der Linksverkehr eine Scheiß-Angst ein.
Was würdest du dir selbst raten, wenn du jetzt mit dem Motorradfahren beginnen würdest?
Probe fahren, Probe fahren, Probe fahren. Und Kompromisse eingehen. Nicht in blinder Liebe auf etwas losstürmen. Aber so bin ich nun mal. Das tut nur weh. Ich habe aus der Erfahrung jetzt gelernt, dass es so wichtig ist, ein Motorrad auch fahren zu können. Wenn alles nur hübsch ausschaut, hat es ja keinen Sinn, wenn ich nicht lerne und Rückschritte beim Fahren mache, anstatt mich zu verbessern. Und wenn es eben doch passiert, ist es keine Schande zuzugeben, dass man einen Fehler gemacht hat. Jeder, der darüber lacht, oder auch nur einen dummen Kommentar abgibt, hat an deiner Seite nichts verloren!
Drei Tipps aus deiner persönlichen Erfahrung?
Probe fahren!!! Möglichst viele und unterschiedliche Bikes. Vielleicht gibt es ja eins, das du vorher nicht auf dem Schirm hattest, oder etwas, das dir vielleicht nicht gefällt, aber passt wie Deckel auf Topf. Dann ist es eben so!
Schutzkleidung!!! Ich kann diese potentiellen Pellkartoffeln nicht verstehen und werde mich grundsätzlich auch nicht mit solchen in einer Gruppe treffen oder auch nur mit dem Gedanken spielen ohne Schutzkleidung zu fahren! Meine zerfetzte Kombi von dem Unfall liegt wie eine Mahnwache im Schrank, jeder Protektor ist benutzt und ich weiß sehr genau wofür sie da sind. Sie haben mir das Leben gerettet.
Die richtigen Begleiter und Mitfahrer!!! sind essentiell. Suche dir Leute, die dir etwas beibringen und dich nicht überfordern! Es hat keinen Sinn jemandem nachzujagen und nachzueifern, der auf einem ganz anderen Niveau und Erfahrungslevel fährt. Der sollt auf dich achten, warten und Tipps geben!
Warum sollte Frau Motorradfahren?
Die Frage lautet korrekt: Warum nicht?
Ist da noch etwas, was du unseren Leserinnen mitteilen möchtest?
Eigentlich nur zwei Dinge:
Spaß haben und Schutzkleidung tragen, damit der Spaß kein Loch kriegt! Wer möchte, kann mich gerne auf meinem Instagram Profil begleiten. Dieses Thema greife ich immer wieder auf. Jeder darf sich auch sehr gerne an der #bikesinunderwear-Challenge beteiligen, die ihr in meiner Story findet!
Wow, einfach nur beeindruckend!
Das geht mir nahe! Gratulation zu Deinem starken Willen, und Alles Gute für Dich!!
Danke Dagi
Ich hab eben meine 750er für m/eine 1100er Traummaschine eingetauscht, den first ride gemacht… und eine haarige Scheisssituatin erlebt. Fahrfehler in der Kurve, wie ein blutiger Anfänger.
Ich hab abgebrochen und bin seither nicht mehr los gefahren. ANGST..
Ich hinterfrage mich ständig was das war. Die Maschine steht und wartet..
DU hast einen tollen Bericht gemacht.
DU hast beschrieben wie’s gehen kann.
DU hast Mumm in den Knochen.
Du hast dich in die Ducati gekniet.
Du bist mir ein gutes Beispiel.
Ich hoffe ich kann von Dir lernen.
Ich hoffe ich krieg meine Anst weg.
Herzlich grüsst Dich Alex